Die Älteren werden sich gewiss noch gut an das Jahr 1983 erinnern. Besonders drei Dinge werden ihnen im Gedächtnis geblieben sein: zum einen der 5:0-Heimsieg von Bayer Uerdingen gegen Darmstadt (und der damit verbundene Aufstieg in die Bundesliga) und zum anderen: der Skandal um die angeblichen Tagebücher von Adolf H. im Faktenmagazin „Stern“. Die gefälschten Bände waren ungerechnet etwa fünf Millionen Euro teuer; der Stern musste seinerzeit fast neunhundert Malboro-Anzeigen schalten, um diesen Verlust aufzufangen. Und die Weltbevölkerung trauerte: Zigarettenwerbung, pff, da wären uns ein paar intime Geheimnisse aus dem Führerbunker aber reichlich lieber gewesen. Man rauchte und weinte – bis zum heutigen Tage. Denn, wie ich hier nun kostenlos verkünde, befinden sich die echten Tagebücher in meinem Besitz. Und weil ich mir aus Geld nichts mache, werde ich nun hier exklusiv einen Auszug aus den braunen Büchern präsentieren. Bitte sehr:
12. April 1944
Habe heute versucht, Blondie den Hitlergruß beizubringen. Doch das elende Vieh weigerte sich. Vielleicht hat es auch einfach die falsche Rasse. Es war aber auch total unkonzentiert! Ich hoffe, ich finde noch eine Endlösung für dieses Konzentrationsproblem. Da müsste ich doch noch irgendwas auf Lager haben… Außerdem habe ich noch ein bisschen Schiffe versenken im britischen Gewässer gespielt, aber leider verloren. Churchill, dieser elende Cheater! Lol!
13. April 1944
Heinrich rief mich heute Mittag an. Er berichtete mir davon, beruflich einen Juden getroffen zu haben. Ich erschrak, meine Verführerlippen formten ein lautes ‚Wiesodasdenndualtervaterlandesverräterrr!‘. Aber Heinrich, dieser Schelm, fügte hinzu, wie er den Juden getroffen hatte: durch den Kopf. Ich lachte sehr. Heinrich ist wirklich ein hervorragender Witzeerzähler. Arrow to the knee, ein Klassiker.
14. April 1944
Neuigkeiten von der Front. Ach ja, Krieg, stimmt, da war doch noch was. Zehntausend unserer Männer sind in Leningrad gefallen. Ja, meine Güte, dann sollen sie halt wieder aufstehen! Ich habe jedoch veranlasst, den Kameraden zwanzigtausend Pflaster mit Blümchenmuster zukommen zulassen. Bin ja kein Unmensch.
15. April 1944
Endlich Sonntag! Habe Eva gefragt, ob wir nicht mal wieder Geschlechtsverkehr haben könnten – ich wünsche mir doch so sehr einen kleinen Verführersohn. Eva lachte nur und hat mich gefragt, ob denn schon wieder Weihnachten wäre. So eine Frechheit! Ist sie Franz Beckenbauer oder was! Und Blondie, diese dumme Töhle, kann den Führergruß immer noch nicht!
16. April 1944
Klug wie ich bin, habe ich heute ein neues Gesetz erdacht. Unter Paragraph 18181818, Absatz 888888Periode8 ist jetzt festgelegt, dass das Weihnachtsfest von nun an am 17. April gefeiert wird. Eva weiß noch nichts von ihrem Glück, morgen werde ich sie überraschen. Das wird sehr, sehr gut.
17. April 1944
Was hatte ich mich auf diesen Tag gefreut! Weihnachten! Das Fest der Liebe! Im ganzen Reich bauten die Kinder Schneemänner aus Asche, die Leute schenkten sich gegenseitig hübsch verzierte Körperteile (oder was sie sonst noch so auf den Straßen finden konnten) und ich freute mich darauf, meinen, zugegeben, kleinen Adolf in Eva einmarschieren zu lassen. Doch Evas Mumu wagte einen Putsch, sie wollte sich mir nicht öffnen. So etwas darf nie, nie wieder passieren! Abends bat ich dann Gott um Hilfe, aber er antwortete mir nicht. Darüber wunderte ich mich kurz, aber ich hätte mir ja eigentlich denken können, dass der keine Zeit hat, wenn sein Sohn gerade Geburtstag feiert. Wie dumm von mir. Aber auch ein Führer ist nicht unfehlbar.
18. April 1944
Ich traf mich heute mit Joseph, dem alten Spasti vom Niederrhein, um ihm mein Leid zu klagen. Joseph war sehr einfühlsam, wir tranken gemeinsam drei arische Kannen Kaffee und dann frug er mich: „Willst du die totale Aufmunterung?“ und natürlich willigte ich ein. Eine totale Aufmunterung ist die kürzeste Aufmunterung. Er erzählte mir, ich bräuchte mir keine Sorgen um Evas Mumu zu machen, die wäre nicht immer so trocken. Na dann.
20. April 1944
Geburtstag! Juhu! Jubeldubeldei! Alle meine Freunde sind gekommen und wir haben zu dritt eine tolle Fete bei mir im Führerbunker. Heinrich schenkt mir ein Ei. Ein rohes Ei! Wozu? Ich weiß es nicht, verdammt! Aber alle anderen fanden es lustig, also habe auch ich ein bisschen mitleidig geschmunzelt. Bin ja immer noch kein Unmensch. Dann hat jemand gepupst. Man gab mir die kollektive Schuld! Doch ich war das nicht! Das Gas kam aus einem Gestapo! Schade nur, dass Eva und Jospeh nicht zu meiner Feier gekommen sind. Wo sie bloß sind?
21. April 1944
Heute habe ich etwas gelernt: wenn Blondie auf dem Rücken liegt, gelingt ihr annähernd der Führergruß. Ich bin stolz auf sie. Gab ihr zur Belohnung ein paar Hakenkreuzkekse und EssEss-Papier. Im deutschen Reich soll niemand hungern! Achso, Eva ist übrigens wieder aufgetaucht. Und als nachträgliches Geburtstagsgeschenk brachte sie mir einen neuen Film von Leni (nicht Lenin!) mit. Auf DVD. Ach nein, die gibt es ja noch nicht. Also im Super8-Format. Der Film scheint eine Liebeskomödie zu sein: „Wie ich in Auschwitz mein Herz verlor – und alle anderen Organe auch“.
22. April 1944
Eva will nicht ficken, der Krieg geht mir auf den eineiigen Sack, alles läuft einfach scheiße im Moment. Daher lenke ich mich ein wenig ab. Heinrich hat mir zum Geburtstag eine Schallplatte mit entarteter Musik mitgebracht. Ich höre sie nun schon seit Stunden und tanze flippig dazu. Und dann stelle ich fest, dass ich eine ganz schön arme Wurst bin. Allerdings nicht knackig wie Wiener oder würzig wie Krakauer, sondern mehr so wie die in Schweinskopfsülze. Owei. Hoffentlich liest das hier niemand jemals.
Joa, ups.